Was sind Quellen?
Quellen sind „alle Texte, Gegenstände oder Tatsachen, aus denen Kenntnis der Vergangenheit gewonnen werden kann.“1 So die viel zitierte Definition Paul Kirns, zur Frage, was Quellen überhaupt sind. Als Quellen bezeichnen Historiker:innen also alle Zeugnisse menschlichen Handelns, die in der Vergangenheit entstanden sind und die uns heute noch – ganz, fragmentarisch oder in veränderter Form – erhalten sind. Zur Quelle werden solche Texte, Gegenstände und Tatsachen aber erst durch eine spezifische Fragestellung, die wir beim historischen Arbeiten an sie stellen. Durch sie können wir die Informationen, die die Quellen enthalten, für unsere Forschung nutzbar machen. Mit Hilfe einer möglichst großen Zahl an Quellen versuchen Historiker:innen die Vergangenheit so gut wie möglich zu rekonstruieren.
Texte, Gegenstände und Tatsachen?
Historiker:innen gehen mit ihren Quellen ähnlich um wie Handwerker:innen mit ihren Werkstoffen – je nach der Beschaffenheit des Materials, wird die Arbeitsweise angepasst. Um Quellen für die historische Arbeit so fruchtbar wie möglich zu machen, unterteilen wir Quellen deshalb in unterschiedliche Klassifikationen. Entsprechend der Eigenschaften der Quellen können wir dann unsere Methoden, Herangehensweisen und Hilfswissenschaften zur Analyse der Quelle wählen.
Eine der klassischen Klassifizierungen von Quellen bezieht sich auf deren Schriftlichkeit. Wir unterteilen so in schriftliche und nichtschriftliche Quellen. Nichtschriftliche Quellen sind besonders in der antiken und mittelalterlichen Geschichtsschreibung relevant, während schriftliche Quellen für die Frühe Neuzeit und gerade in der Neuesten Geschichte eine besondere Bedeutung haben. Durch eine immer größer werdende Verbreitung von Schriftlichkeit in den Bevölkerungen, konnten nun Bevölkerungsschichten, die zuvor kaum Quellen hinterlassen konnten, ihre Perspektiven, Erfahrungen und Wahrnehmungen zu Papier bringen, wodurch wir als Historiker:innen ganz neue Einsichten auf sie bekommen.
Eine weitere klassische Quellenklassifizierung urteilt über die Quelle in Bezug auf deren Intentionalität. Ist aus der Quelle etwa klar ersichtlich, dass der oder die Urheber:in mit der Produktion der Quelle eine klare Absicht hatte, die Nachwelt über einen bestimmten Sachverhalt zu unterrichten, so sprechen wir von einer Traditionsquelle. Liegt diese andrerseits nicht vor, wie etwa bei privaten Briefwechseln oder Kleidungsstücken beziehungsweise ähnlichen Gegenständen, so sprechen wir von Überresten.
Eine letzte prominente Quellenklassifizierung bezieht sich auf die Nähe der Quelle zum historischen Ereignis. Zeichnet sich die Quelle durch ihre unmittelbare Nähe zum Berichtgegenstand aus, beziehungsweise war sie Teil des historischen Geschehens, dann sprechen wir von Primärquellen. Bezieht sie sich jedoch auf eine andere, ihr zugrunde liegende Quelle und ist damit schon eine geformte Überlieferung und eine versuchte Rekonstruktion des Geschehens, dann sprechen wir von Sekundärquellen.
Wichtig dabei zu betonen ist jedoch, dass keine dieser Quellenklassifikationen einen Königsweg darstellen. Für jede der Kategorisierungen gibt es Beispiele, die nicht klar der einen oder der anderen Seite zugeordnet werden können. Das ist jedoch für das historische Arbeiten nicht weiter schlimm, da die Klassifizierung keinen Selbstzweck darstellt, sondern dazu dient unser Analysewerkzeug an den Grundstoff anzupassen.
Was können uns Quellen sagen?
Der Begriff Quelle impliziert die Vorstellung des 19. Jahrhunderts, dass wir durch sie „zu den Quellen steigen“ und herausfinden können „wie es eigentlich gewesen ist.“ Doch selbst wenn alle Historiker:innen der Welt alle zum jetzigen Zeitpunkt verfügbaren Quellen auswerten würden, so wäre es doch unmöglich, eine historische Wahrheit zu rekonstruieren. Alles Wissen über die Vergangenheit ist immer relativ zu sehen, als das Ergebnis der Analysen möglichst aller verfügbaren Quellen zu einem bestimmten Forschungsthema und als eine Interpretation und Rekonstruktion von möglichem Vergangenem aus dem Hier und Jetzt. Neue Quellenfunde können die Vergangenheitskonstruktionen jedoch stetig falsifizieren, überarbeiten und verändern. Uns muss klar sein, dass die historische Rekonstruktion der Vergangenheit immer nur eine Art von Schlüsselloch für uns darstellt. Durch dieses können wir zwar einen kleinen Blick in die Vergangenheit erhaschen, doch wird dieser niemals vollständig sein können, da es vom Zufall abhängt, von welchen Prozessen, Ereignissen, etc. wir Quellen haben und von welchen nicht.
Referenzen
- Vgl. Paul Kirn, Einführung in die Geschichtswissenschaft, Berlin 1968, 5. Aufl. [1947], S. 29.
- Ausführlich zu diesem „Vetorecht der Quellen“: Stefan Jordan, Vetorecht der Quellen, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11.02.2010, https://docupedia.de/zg/Vetorecht_der_Quellen, abgerufen am 06.12.2022.