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Grundlagen des Arbeitens mit historischen Quellen

Text: Niklas Zodel

Was sind Quellen?

Quel­len sind „alle Tex­te, Gegen­stän­de oder Tat­sa­chen, aus denen Kennt­nis der Ver­gan­gen­heit gewon­nen wer­den kann.“1 So die viel zitier­te Defi­ni­ti­on Paul Kirns, zur Fra­ge, was Quel­len über­haupt sind. Als Quel­len bezeich­nen Historiker:innen also alle Zeug­nis­se mensch­li­chen Han­delns, die in der Ver­gan­gen­heit ent­stan­den sind und die uns heu­te noch – ganz, frag­men­ta­risch oder in ver­än­der­ter Form – erhal­ten sind. Zur Quel­le wer­den sol­che Tex­te, Gegen­stän­de und Tat­sa­chen aber erst durch eine spe­zi­fi­sche Fra­ge­stel­lung, die wir beim his­to­ri­schen Arbei­ten an sie stel­len. Durch sie kön­nen wir die Infor­ma­tio­nen, die die Quel­len ent­hal­ten, für unse­re For­schung nutz­bar machen. Mit Hil­fe einer mög­lichst gro­ßen Zahl an Quel­len ver­su­chen Historiker:innen die Ver­gan­gen­heit so gut wie mög­lich zu rekonstruieren.

Texte, Gegenstände und Tatsachen?

Historiker:innen gehen mit ihren Quel­len ähn­lich um wie Handwerker:innen mit ihren Werk­stof­fen – je nach der Beschaf­fen­heit des Mate­ri­als, wird die Arbeits­wei­se ange­passt. Um Quel­len für die his­to­ri­sche Arbeit so frucht­bar wie mög­lich zu machen, unter­tei­len wir Quel­len des­halb in unter­schied­li­che Klas­si­fi­ka­tio­nen. Ent­spre­chend der Eigen­schaf­ten der Quel­len kön­nen wir dann unse­re Metho­den, Her­an­ge­hens­wei­sen und Hilfs­wis­sen­schaf­ten zur Ana­ly­se der Quel­le wählen.

Eine der klas­si­schen Klas­si­fi­zie­run­gen von Quel­len bezieht sich auf deren Schrift­lich­keit. Wir unter­tei­len so in schrift­li­che und nicht­schrift­li­che Quel­len. Nicht­schrift­li­che Quel­len sind beson­ders in der anti­ken und mit­tel­al­ter­li­chen Geschichts­schrei­bung rele­vant, wäh­rend schrift­li­che Quel­len für die Frü­he Neu­zeit und gera­de in der Neu­es­ten Geschich­te eine beson­de­re Bedeu­tung haben. Durch eine immer grö­ßer wer­den­de Ver­brei­tung von Schrift­lich­keit in den Bevöl­ke­run­gen, konn­ten nun Bevöl­ke­rungs­schich­ten, die zuvor kaum Quel­len hin­ter­las­sen konn­ten, ihre Per­spek­ti­ven, Erfah­run­gen und Wahr­neh­mun­gen zu Papier brin­gen, wodurch wir als Historiker:innen ganz neue Ein­sich­ten auf sie bekommen.

Eine wei­te­re klas­si­sche Quel­len­klas­si­fi­zie­rung urteilt über die Quel­le in Bezug auf deren Inten­tio­na­li­tät. Ist aus der Quel­le etwa klar ersicht­lich, dass der oder die Urheber:in mit der Pro­duk­ti­on der Quel­le eine kla­re Absicht hat­te, die Nach­welt über einen bestimm­ten Sach­ver­halt zu unter­rich­ten, so spre­chen wir von einer Tra­di­ti­ons­quel­le. Liegt die­se and­rer­seits nicht vor, wie etwa bei pri­va­ten Brief­wech­seln oder Klei­dungs­stü­cken bezie­hungs­wei­se ähn­li­chen Gegen­stän­den, so spre­chen wir von Überresten.

Eine letz­te pro­mi­nen­te Quel­len­klas­si­fi­zie­rung bezieht sich auf die Nähe der Quel­le zum his­to­ri­schen Ereig­nis. Zeich­net sich die Quel­le durch ihre unmit­tel­ba­re Nähe zum Bericht­ge­gen­stand aus, bezie­hungs­wei­se war sie Teil des his­to­ri­schen Gesche­hens, dann spre­chen wir von Pri­mär­quel­len. Bezieht sie sich jedoch auf eine ande­re, ihr zugrun­de lie­gen­de Quel­le und ist damit schon eine geform­te Über­lie­fe­rung und eine ver­such­te Rekon­struk­ti­on des Gesche­hens, dann spre­chen wir von Sekundärquellen.
Wich­tig dabei zu beto­nen ist jedoch, dass kei­ne die­ser Quel­len­klas­si­fi­ka­tio­nen einen Königs­weg dar­stel­len. Für jede der Kate­go­ri­sie­run­gen gibt es Bei­spie­le, die nicht klar der einen oder der ande­ren Sei­te zuge­ord­net wer­den kön­nen. Das ist jedoch für das his­to­ri­sche Arbei­ten nicht wei­ter schlimm, da die Klas­si­fi­zie­rung kei­nen Selbst­zweck dar­stellt, son­dern dazu dient unser Ana­ly­se­werk­zeug an den Grund­stoff anzupassen.

Was können uns Quellen sagen?

Der Begriff Quel­le impli­ziert die Vor­stel­lung des 19. Jahr­hun­derts, dass wir durch sie „zu den Quel­len stei­gen“ und her­aus­fin­den kön­nen „wie es eigent­lich gewe­sen ist.“ Doch selbst wenn alle Historiker:innen der Welt alle zum jet­zi­gen Zeit­punkt ver­füg­ba­ren Quel­len aus­wer­ten wür­den, so wäre es doch unmög­lich, eine his­to­ri­sche Wahr­heit zu rekon­stru­ie­ren. Alles Wis­sen über die Ver­gan­gen­heit ist immer rela­tiv zu sehen, als das Ergeb­nis der Ana­ly­sen mög­lichst aller ver­füg­ba­ren Quel­len zu einem bestimm­ten For­schungs­the­ma und als eine Inter­pre­ta­ti­on und Rekon­struk­ti­on von mög­li­chem Ver­gan­ge­nem aus dem Hier und Jetzt. Neue Quel­len­fun­de kön­nen die Ver­gan­gen­heits­kon­struk­tio­nen jedoch ste­tig fal­si­fi­zie­ren, über­ar­bei­ten und ver­än­dern. Uns muss klar sein, dass die his­to­ri­sche Rekon­struk­ti­on der Ver­gan­gen­heit immer nur eine Art von Schlüs­sel­loch für uns dar­stellt. Durch die­ses kön­nen wir zwar einen klei­nen Blick in die Ver­gan­gen­heit erha­schen, doch wird die­ser nie­mals voll­stän­dig sein kön­nen, da es vom Zufall abhängt, von wel­chen Pro­zes­sen, Ereig­nis­sen, etc. wir Quel­len haben und von wel­chen nicht.

Referenzen

  1. Vgl. Paul Kirn, Ein­füh­rung in die Geschichts­wis­sen­schaft, Ber­lin 1968, 5. Aufl. [1947], S. 29.
  2. Aus­führ­lich zu die­sem „Veto­recht der Quel­len“: Ste­fan Jor­dan, Veto­recht der Quel­len, in: Docup­e­dia-Zeit­ge­schich­te, 11.02.2010, https://docupedia.de/zg/Vetorecht_der_Quellen, abge­ru­fen am 06.12.2022.
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