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„Wie ich den Hitlerismus bekämpfte“

Paul Zarbock – Das Selbstbild als Widerständler im rückblickenden Bericht eines von den NS-Behörden verhafteten Beamten, Westdeutschland 1949

Text: Hendrik Althoff

Paul Zar­bock – Beam­ter im Widerstand

Fast 30 Jah­re lang war Paul Zar­bock kein Geg­ner, son­dern ein treu­er Ver­tre­ter des deut­schen Staa­tes gewe­sen. Im Alter von 26 Jah­ren kam der gebür­ti­ge Ber­li­ner 1912 zum Aus­wär­ti­gen Amt, wo er auch den Ers­ten Welt­krieg erleb­te und in den fol­gen­den Jah­ren eine ste­ti­ge Kar­rie­re in der Rechts­ab­tei­lung mach­te. Nach­dem er in der Wei­ma­rer Repu­blik zeit­wei­se Mit­glied der Deut­schen Demo­kra­ti­schen Par­tei gewe­sen war, wei­ger­te er sich spä­te­ren Aus­sa­gen sei­ner Wit­we zufol­ge nach 1933 zunächst, in die NSDAP ein­zu­tre­ten. Bei Beför­de­run­gen wur­de er fort­an über­gan­gen und ver­blieb auf der Posi­ti­on eines Amts­rats. Auf Druck von Vor­ge­setz­ten trat er Ende 1939 schließ­lich in die NSDAP ein.1

Doch ein folg­sa­mer Staats­die­ner woll­te Zar­bock – mitt­ler­wei­le über 50 Jah­re alt, ver­hei­ra­tet und Vater zwei­er erwach­se­ner Söh­ne – bald nicht mehr sein. Im Juli 1941 begann er mit der Ver­brei­tung von kur­zen Tex­ten, in denen er Adolf Hit­ler, die Minis­ter der Reichs­re­gie­rung sowie hohe Funk­tio­nä­re der NSDAP und der SS belei­dig­te. Um sei­ne Hand­schrift zu ver­ber­gen, riss er aus Büchern sei­ner pri­va­ten Biblio­thek Sei­ten her­aus, kreis­te ein­zel­ne Buch­sta­ben ein und ver­band die­se mit Blei­stift­stri­chen, sodass sie die gewünsch­ten Bot­schaf­ten erga­ben. Die Buch­sei­ten steck­te er in die Brief­käs­ten ver­schie­de­ner Insti­tu­tio­nen wie Ämter, Ban­ken und Biblio­the­ken. Die spä­te­re Ankla­ge­schrift gegen ihn umfass­te 33 die­ser kur­zen Tex­te, dar­un­ter „Der Hit­ler ist kein Heil, son­dern ein Fluch.“2 (Brief­kas­ten der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät am 29. August 1941) oder „Himm­ler ist ein Ver­bre­cher, ein Schwein ohne Gewis­sen und ohne See­le.“3 (Brief­kas­ten des Post­am­tes in der Link­stra­ße am 4. Novem­ber 1941). Zusätz­lich schrieb Zar­bock vier- oder acht­zei­li­ge Gedich­te mit sei­ner Büro­schreib­ma­schi­ne auf Post­kar­ten und Zet­tel. In den meis­ten Fäl­len waren die­se Kar­ten mit dem Text ver­se­hen, den Zar­bock auch in sei­nem eige­nen Bericht zitiert:

Herr H i t l e r führt Krieg gegen Juden,

Bri­ten, Rus­sen und Boto­ku­den4

„Der Füh­rer“ kämpft gegen die gan­ze Welt –

Fin­den Sie, dass ER sich rich­tig ver­hält ??5

Zar­bock setz­te sich aktiv und unter gro­ßem per­sön­li­chem Risi­ko gegen das Regime ein, indem er sei­ne Ableh­nung der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Poli­tik öffent­lich mach­te und so ver­such­te, eine wider­stän­di­ge Bewe­gung, die er in der brei­ten Bevöl­ke­rung ver­mu­te­te, ideell zu stär­ken. Tat­säch­lich begann er die sys­te­ma­ti­sche Ver­brei­tung die­ser Schrif­ten zu einem Zeit­punkt, an dem der öffent­li­che Zuspruch zur natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Kriegs­po­li­tik einen kurz­le­bi­gen, aber spür­ba­ren Ein­bruch erleb­te. Nach den schnel­len Erfol­gen des „Blitz­krie­ges“ gegen Polen und Frank­reich sahen vie­le Deut­sche den Angriff auf die Sowjet­uni­on vom 22. Juni als stra­te­gi­schen Feh­ler.6 Neben dem all­ge­mei­nen Ein­druck einer „kriegs­lüs­ter­nen“ Regie­rung erfuhr Zar­bock durch sei­ne Tätig­keit im Aus­wär­ti­gen Amt zudem ver­mut­lich von Vor­gän­gen, die der brei­ten Bevöl­ke­rung zunächst ver­bor­gen blie­ben. So wur­den hier auch die mas­sen­haf­ten Tötun­gen von Jüdin­nen und Juden durch die Ein­satz­grup­pen an der Ost­front regis­triert. Sei­ne Bemer­kung, „Herr Hit­ler führt Krieg gegen Juden“, ist dem­nach durch­aus wört­lich zu verstehen.

Die Zahl der Buch­sei­ten und Kar­ten, die er zwi­schen Juli 1941 und Juni 1942 auf sei­nem Heim­weg aus dem Minis­te­ri­um in Brief­käs­ten gesteckt hat­te, bezif­fer­te Zar­bock nach dem Krieg mit 1.200 bis 1.500, das Ber­li­ner Son­der­ge­richt sprach allein mit Blick auf die Gedich­te von einer „fast unzäh­li­gen Anzahl von Kar­ten und Zet­teln“ und einem „bis­her kaum dage­we­se­nen, außer­ge­wöhn­li­chen Umfang“7 der Schrift­stü­cke. Unklar ist dabei, ob Zar­bock allein han­del­te oder ob er sich im beruf­li­chen Umfeld auf Kolleg:innen ver­las­sen konn­te, die sei­ne Tätig­keit dul­de­ten, deck­ten und sogar unter­stütz­ten. Eben­so bleibt offen, wel­che Schlüs­se Zar­bock aus sei­ner regime­kri­ti­schen Ein­stel­lung für die Aus­übung sei­ner eigent­li­chen beruf­li­chen Tätig­keit zog, ob er etwa bewusst Arbeits­ab­läu­fe ver­lang­sam­te oder gehei­me Doku­men­te weitergab.

Ein poli­ti­scher Prozess

Als Zar­bock am 8. Juni 1942 eine sei­ner Post­kar­ten in den Brief­kas­ten des Post­am­tes an der Link­stra­ße am Pots­da­mer Bahn­hof gewor­fen hat­te, wur­de er von der Gesta­po ver­haf­tet und anschlie­ßend in deren Haus­ge­fäng­nis durch Kri­mi­nal­kom­mis­sar Felix Bar­toll ver­hört.8 In meh­re­ren Ver­hö­ren wäh­rend sei­ner Unter­su­chungs­haft gestand Zar­bock sei­ne Taten und beschrieb sei­ne Arbeits­wei­se. Dabei kon­zen­trier­te er sich zunächst dar­auf, die Unzu­frie­den­heit mit ein­zel­nen Poli­ti­kern als Motiv in den Mit­tel­punkt zu rücken. Sei­ne Schrif­ten sei­en vor allem „das Pro­dukt eines Unmuts gegen­über die­sen Per­sön­lich­kei­ten“, er sei „mit der Beam­ten­po­li­tik der letz­ten Jah­re nicht immer ein­ver­stan­den gewe­sen.“ Dar­über hin­aus äußer­te er aber auch einen all­ge­mei­nen „Unmut über die Zeit­ver­hält­nis­se“ und kri­ti­sier­te den Welt­krieg als gro­ßes Unglück.

Die Stel­lung Zar­bocks als Beam­ter und Geheim­nis­trä­ger ver­lieh dem Ver­fah­ren von Beginn an eine poli­ti­sche Bri­sanz; auch Jus­tiz­mi­nis­ter Otto Thierack und NSDAP-Gau­lei­ter und Reichs­mi­nis­ter für Volks­auf­klä­rung und Pro­pa­gan­da Joseph Goeb­bels schal­te­ten sich in den Fall ein. Bereits früh war die Jus­tiz daher um eine beschwich­ti­gen­de Deu­tung bemüht. Der mit dem Fall befass­te Staats­an­walt Albert Sönt­gen erklär­te, Zar­bock habe offen­sicht­lich in einem psy­chi­schem Aus­nah­me­zu­stand gehan­delt. Andern­falls sei uner­klär­lich, „wie der bis­her unbe­schol­te­ne und im bes­ten Anse­hen ste­hen­de 57jährige Beschul­dig­te, der übri­gens auch Par­tei­ge­nos­se sei, plötz­lich in so auf­fal­len­der Wei­se habe aus der Rol­le fal­len kön­nen.“9 Wenig über­ra­schend erhielt Sönt­gen mit die­ser Inter­pre­ta­ti­on auch Zuspruch durch Zar­bocks Vor­ge­setz­ten, Lega­ti­ons­rat Gus­tav Rödi­ger10, sowie sei­ner Ehe­frau. Die­se berich­te­te von Ohn­machts­an­fäl­len ihres Man­nes und war sich sicher, dass „die für ihn völ­lig per­sön­lich­keits­frem­de Tat nicht anders als durch einen viel­leicht durch Arte­ri­en­ver­kal­kung her­vor­ge­ru­fe­nen geis­ti­gen Defekt erklärt wer­den kön­ne.“11

In der Ver­hand­lung, die am 30. Okto­ber 1942 vor dem Son­der­ge­richt I am Land­ge­richt Ber­lin statt­fand, argu­men­tier­te Zar­bock in die­sel­be Rich­tung. Er habe grund­sätz­lich „eine posi­ti­ve Ein­stel­lung zum Füh­rer und zum heu­ti­gen Staa­te“ und sei­ne Taten stün­den „in unver­ein­ba­rem Wider­spruch zu sei­ner sonst posi­ti­ven Ein­stel­lung zum Natio­nal­so­zia­lis­mus. […] Wie der Ange­klag­te nun im ein­zel­nen zu sei­nen Angrif­fen gekom­men ist, will er sich heu­te auf wie­der­hol­tes Befra­gen durch das Gericht nicht erklä­ren kön­nen. Er ste­he nach wie vor vor einem Rät­sel.“12 Als Begrün­dun­gen für eine „zeit­wei­li­ge geis­ti­ge Stö­rung sei­ner Geis­tes­tä­tig­keit“ nann­te Zar­bock Über­ar­bei­tung und Ner­ven­zer­rüt­tung, die Ein­nah­me von Medi­ka­men­ten wie Per­vi­tin, den Front­dienst sei­ner bei­den Söh­ne und eine dar­aus resul­tie­ren­de depres­si­ve Verstimmung.

So wenig plau­si­bel die­se Ver­tei­di­gung auch war: Ein vor­über­ge­hen­der Ver­wir­rungs­zu­stand, der Zar­bocks eigent­li­che poli­ti­sche Über­zeu­gung nicht in Zwei­fel stell­te, war auch den Ver­ant­wort­li­chen eine will­kom­me­ne Deu­tung, die sowohl sei­ne Vor­ge­setz­ten im Aus­wär­ti­gen Amt, aber auch die Ber­li­ner NSDAP vom Vor­wurf befrei­te, einen Feind in den eige­nen Rei­hen nicht erkannt zu haben. So erklä­ren sich auch die medi­zi­ni­schen Gut­ach­ten zwei­er Sach­ver­stän­di­ger, die auf Druck des Aus­wär­ti­gen Amtes hin ent­stan­den und Zar­bock zubil­lig­ten, er sei „straf­recht­lich ver­min­dert zurech­nungs­fä­hig“.13 Auch das Gericht folg­te die­ser Linie und ver­ur­teil­te ihn zwar wegen „fort­ge­setz­ter Zer­set­zung der Wehr­kraft“14, aller­dings in einem min­der­schwe­ren Fall, wes­halb aus­nahms­wei­se kei­ne Todes­stra­fe ver­hängt wur­de. In sei­ner Urteils­be­grün­dung führ­te das Gericht aus, dass Zar­bock „nicht als Staats­feind schlecht­hin zu betrach­ten ist.“15 Er habe sich zwar schwe­rer Ver­bre­chen schul­dig gemacht, aber „an sich sonst kei­ne staats­feind­li­che Ein­stel­lung gehabt“16, wie auch an sei­ner NSDAP-Mit­glied­schaft und der Offi­ziers­kar­rie­re sei­ner Söh­ne erkenn­bar sei.

Zur Ver­bü­ßung sei­ner fünf­jäh­ri­gen Haft­stra­fe wur­de Zar­bock am 3. Dezem­ber 1942 in das Gefäng­nis Bran­den­burg-Gör­den über­stellt. Die größ­te Haft­an­stalt Deutsch­lands war in hohem Maße über­be­legt, die Ver­sor­gungs­la­ge kata­stro­phal, wäh­rend die Häft­lin­ge zur Zwangs­ar­beit in der Rüs­tungs­pro­duk­ti­on gezwun­gen wur­den. Nach sei­ner Befrei­ung im April 1945 war Zar­bock in ver­schie­de­nen Ber­li­ner Ämtern für die Ver­sor­gung der Opfer des NS-Regimes zustän­dig. Im Früh­jahr 1949 wur­de er mit einer offe­nen Lun­gen­tu­ber­ku­lo­se ins Kran­ken­haus ein­ge­lie­fert, die bereits 1946 erst­mals ent­deckt wor­den war. Noch aus dem Kran­ken­bett kor­re­spon­dier­te er mit der Ber­li­ner Staats­an­walt­schaft, damit sei­ne Ver­ur­tei­lung wegen „Wehr­kraft­zer­set­zung“ auf­ge­ho­ben wur­de; im März 1949 gab das Amts­ge­richt Ber­lin-Lich­ter­fel­de sei­nem Antrag statt. Weni­ge Woche spä­ter starb Paul Zar­bock im Alter von 63 Jah­ren an den Fol­gen sei­ner Gefäng­nis­haft.17

Zar­bocks Bericht als Identitätsprojektion

Einer der Oppo­si­tio­nel­len, mit denen Zar­bock in Bran­den­burg gemein­sam inhaf­tiert war, war der Ver­le­ger und Publi­zist Wal­ter Hös­terey, der nach Kriegs­en­de unter dem Pseud­onym Wal­ter Ham­mer eine Samm­lung von Gefäng­nis­ak­ten, Wider­stands- und Ver­fol­gungs­be­rich­ten auf­bau­te.18 Mit öffent­li­chen Auf­ru­fen oder durch per­sön­li­che Anspra­che for­der­te er ehe­ma­li­ge Inhaf­tier­te auf, ihre poli­ti­sche Arbeit und Ver­fol­gung im Natio­nal­so­zia­lis­mus zu doku­men­tie­ren. Auch Paul Zar­bock steu­er­te einen knap­pen Bericht zu die­sem Archiv bei.19 Hier­in schil­der­te er sei­ne Tätig­keit in iro­ni­schem Ton­fall und mit Zita­ten aus dem Voka­bu­lar des NS-Rechts, aber mit gro­ßer Genau­ig­keit. So lis­tet er aus­führ­lich die öffent­li­chen Stel­len und Post­äm­ter auf, denen er sei­ne Schrif­ten zusandte.

Sei­ne Bedeu­tung als his­to­ri­sche Quel­le erhält der Bericht jedoch nicht durch sei­nen Infor­ma­ti­ons­ge­halt, son­dern durch den Deu­tungs­rah­men, in den Zar­bock sei­ne Taten rück­bli­ckend stell­te. So schien es ihm offen­bar beson­ders wich­tig, die poli­ti­schen Moti­ve sei­ner Wider­stands­ar­beit her­aus­zu­strei­chen – bereits der Titel „Wie ich den Hit­le­ris­mus bekämpf­te“ macht die­sen Fokus klar. Wäh­rend er sich selbst im Straf­pro­zess zunächst auf eine Unzu­frie­den­heit mit ein­zel­nen Per­sön­lich­kei­ten zurück­ge­zo­gen und dann auf sei­ne geis­ti­ge Ver­fas­sung ver­wie­sen hat­te, schil­dert er nun eine ent­schie­de­ne Ableh­nung des Regimes und sei­ne Über­zeu­gung, den „ver­häng­nis­vol­len Mas­sen­wahn, der wie eine Epi­de­mie um sich griff, auch mit wirk­sa­men Mit­tel entgegen[zu]treten.“20 Zar­bock, der offen­kun­dig allein agier­te, ver­or­te­te sich dabei klar im Zusam­men­hang einer brei­te­ren, „Wider­stands­be­we­gung gegen den Hit­ler­fa­schis­mus“.21 Sein eige­ner Bericht dien­te so als Kor­rek­tiv für das Schrift­gut der NS-Jus­tiz und der Gesta­po, die den Beam­ten als geis­tig ver­wirr­ten Frus­tra­ti­ons­tä­ter hin­ge­stellt und ihm alle poli­ti­schen Beweg­grün­de abge­spro­chen hatten.

Für Zar­bock erfüll­te der kur­ze Text aber zugleich auch den Zweck, sei­ne eige­ne Bio­gra­fie im Natio­nal­so­zia­lis­mus zu ver­eindeu­ti­gen, die zwi­schen regime­treu­em Beam­ten, NSDAP-Mit­läu­fer, Wider­ständ­ler und Ver­fol­gungs­op­fer chan­giert hat­te. So ist durch­aus bemer­kens­wert, wor­auf er nicht ein­ging: Zar­bocks lang­jäh­ri­ge Tätig­keit für das Aus­wär­ti­ge Amt, das in die deut­schen Ver­bre­chen eng invol­viert war, blieb außen vor. Und obwohl er in der Gefäng­nis­haft schwer gelit­ten hat­te, in der Nach­kriegs­zeit für eine Ent­schä­di­gung stritt und sogar in der NS-Opfer­für­sor­ge tätig war, neh­men auch Ver­ur­tei­lung und Haft in sei­nem Bericht kaum Raum ein. Nur mit einem abschlie­ßen­den Ver­weis auf „Kri­mi­nal­kom­mis­sar Bar­toll von der Gesta­po“22 deu­te­te Zar­bock die straf­recht­li­chen Kon­se­quen­zen sei­ner Taten an. Damit ver­deut­licht der Bericht auch die Funk­ti­on von retro­spek­tiv ange­leg­ten Selbst­zeug­nis­sen als Werk­zeug zur Kon­struk­ti­on eines schlüs­si­gen und posi­ti­ven Selbst­bil­des, wel­ches sich an per­sön­li­chen Idea­len und – gera­de über poli­ti­sche Zäsu­ren hin­weg – an den ver­än­der­ten gesell­schaft­li­chen Wert­vor­stel­lun­gen ori­en­tiert. Zumin­dest in der selbst­be­stimm­ten Beschrei­bung sei­ner Taten woll­te Paul Zar­bock weder Mit­läu­fer noch Opfer des Regimes sein, son­dern allein das, was er in den Augen der NS-Jus­tiz nicht gewe­sen war – ein Staats­feind.23

Referenzen

  1. Die Anga­ben zu Zar­bocks Berufs­bio­gra­fie ent­stam­men sei­ner Per­so­nal­ak­te, vgl. Poli­ti­sches Archiv des Aus­wär­ti­gen Amtes, P/017081.
  2. Bun­des­ar­chiv Ber­lin-Lich­ter­fel­de (BArch), R 3001 Reichs­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um, Nr. 142536, Ankla­ge­schrift gegen Paul Zar­bock vor dem Son­der­ge­richt beim Land­ge­richt Ber­lin (Abschrift), 26.08.1942, Bl. 16.
  3. Ebd., Bl. 17.
  4. His­to­ri­scher Name für ver­schie­de­ne indi­ge­ne Völ­ker Bra­si­li­ens, der auch als Schimpf­wort für „unzi­vi­li­sier­te“ Men­schen gebraucht wur­de. Zar­bock wähl­te den Begriff hier wohl im Sin­ne von „alles und jeden“.
  5. Die­ser Text wird nicht nur in sei­nem eige­nen Bericht, son­dern auch in der Ankla­ge­schrift zitiert, BArch, R 3001 Reichs­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um, Nr. 142536, Ankla­ge­schrift gegen Paul Zar­bock vor dem Son­der­ge­richt beim Land­ge­richt Ber­lin (Abschrift), 26.08.1942, Bl. 19.
  6. Nicho­las Star­gardt: Der deut­sche Krieg 1939–1945, Frank­furt a. M. 2015, S. 201.
  7. BArch, R 3001 Reichs­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um, Nr. 142536, Beschluss des Son­der­ge­richts beim Land­ge­richt Ber­lin, 30.10.42, Bl. 39.
  8. Felix Bar­toll, seit 1931 Mit­glied in NSDAP und SS, war u. a. ab 1942 in der Ber­li­ner Gesta­po­zen­tra­le für die Ver­hö­re von Widerstandskämpfer:innen zustän­dig und gehör­te spä­ter einer Son­der­kom­mis­si­on an, die die Hin­ter­män­ner des Atten­tats vom 20. Juli 1944 auf­spü­ren soll­te. Vgl. Horst Sas­sin: Wider­stand, Ver­fol­gung und Emi­gra­ti­on Libe­ra­ler 1933–1945, Bonn 1983, S. 488, Anm. 22.
  9. BArch, R 3001 Reichs­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um, Nr. 142536, Akten­ver­merk, 11.07.1942, Bl. 4.
  10. Rödi­ger ver­such­te selbst, Distanz zum Regime zu behal­ten und ver­wei­ger­te sich stets einer NSDAP-Mit­glied­schaft. Er blieb von 1933 bis 1945 in der­sel­ben Posi­ti­on als Refe­rats­lei­ter in der Rechts­ab­tei­lung, vgl. Eck­art Con­ze [u. a.]: Das Amt und die Ver­gan­gen­heit. Deut­sche Diplo­ma­ten im Drit­ten Reich und in der Bun­des­re­pu­blik, Mün­chen 2010, S. 159.
  11. BArch, R 3001 Reichs­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um, Nr. 142536, Akten­ver­merk, 11.07.1942, Bl. 4.
  12. BArch, R 3001 Reichs­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um, Nr. 142536, Beschluss des Son­der­ge­richts beim Land­ge­richt Ber­lin, 30.10.42, Bl. 48.
  13. Ebd., Bl. 53.
  14. Ebd., Bl. 30.
  15. Ebd., Bl. 53.
  16. Ebd.
  17. Zar­bocks Nach­kriegs­bio­gra­fie ist umfas­send doku­men­tiert in den Unter­la­gen des Ent­schä­di­gungs­am­tes Ber­lin, Akte Nr. 3478.
  18. Das Wal­ter-Ham­mer-Archiv befin­det sich heu­te als Bestand ED 106 im Insti­tut für Zeit­ge­schich­te in Mün­chen und ist dort kom­plett digi­tal zugänglich.
  19. Zar­bock und Ham­mer könn­ten durch die gemein­sa­me Haft­zeit durch­aus in per­sön­li­chem Kon­takt gestan­den haben. Ande­re Berich­te in der glei­chen Akte wur­den jedoch ursprüng­lich an den Ber­li­ner Haupt­aus­schuss für die Opfer des Faschis­mus gesandt, einer 1945 gegrün­de­ten Inter­es­sen­ver­tre­tung für ehe­mals Ver­folg­te, und erst spä­ter an Ham­mer wei­ter­ge­ge­ben. Da das Begleit­schrei­ben nicht über­lie­fert ist, sind sowohl der Ent­ste­hungs­zeit­punkt als auch die Über­lie­fe­rungs­ge­schich­te des Berichts unklar.
  20. Insti­tut für Zeit­ge­schich­te Mün­chen – Archiv (IfZ), ED 106, 104, Paul Zar­bock: Wie ich den Hit­le­ris­mus bekämpf­te, o. D. Bl. 99.
  21. Ebd.
  22. IfZ, ED 106, 104, Paul Zar­bock: Wie ich den Hit­le­ris­mus bekämpf­te, o. D. Bl. 99.
  23. Das Ber­li­ner Ent­schä­di­gungs­amt folg­te die­ser Dar­stel­lung 1955, als es trotz Zar­bocks NSDAP-Mit­glied­schaft sei­ner Wit­we Mag­da­le­na aus­nahms­wei­se eine Ent­schä­di­gung und Wit­wen­ren­te zubil­lig­te. Zuvor hat­ten zahl­rei­che inhaf­tier­te Oppo­si­tio­nel­le Zar­bocks regime­kri­ti­sche Gesin­nung bezeugt. Ein Jahr spä­ter erreich­te Mag­da­le­na Zar­bock an Stel­le ihres ver­stor­be­nen Ehe­man­nes die offi­zi­el­le Aner­ken­nung als Opfer des NS-Regimes, vgl. Ent­schä­di­gungs­amt Ber­lin, 3478, Sozi­al­be­hör­de an M. Zar­bock, 2.10.1956, Bl. 44.
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